Was ist das Gallensäure­nverlustsyndrom?

Das Gallensäurenverlustsyndrom äußert sich als chronischer Durchfall, der oft zur Diagnose eines Reizdarms führt. Was können die Betroffenen tun?

Wenn die Angst, sich allzu weit von der Toilette zu entfernen, den Alltag bestimmt, kann der chronische Durchfall für die Betroffenen zu einer schweren Belastung werden. Die Symptome reichen von krampfartigen Bauchschmerzen bis zu mehrmaligen Toilettengängen am Tag und in der Nacht.

Eine mögliche Ursache für die Beschwerden: das Gallensäurenverlustsyndrom (im Englischen: BAD = bile acid diarrhoea).

Corsetti et. al. IBS Global Impact Report 2009
Wedlake et. al. Aliment Pharmacol Ther 2009; 30 (7): 707-17
Keely et. al. Cel Mol Gastroenterol Hepatol 2016;2:725–732

Reizdarm oder Gallensäure­nverlustsyndrom?

Die Symptome des Gallensäurenverlustsyndroms ähneln denen des weit verbreiteten Reizdarmsyndroms, unter dem Schätzungen zufolge etwa 4 Millionen Menschen in Deutschland leiden. Die Ähnlichkeit der Symptome beider Erkrankungen führt dazu, dass das Gallensäurenverlustsyndrom bei vielen Patienten unerkannt bleibt und sie die Diagnose „Reizdarm“erhalten. Zudem ist das Gallensäurenverlustsyndrom im Vergleich zum weit verbreiteten Reizdarm eine eher unbekannte Erkrankung. Das hat zur Folge, dass viele Betroffene jahrelang mit einem unerkannten Gallensäurenverlustsyndrom leben und sich ihre Beschwerden kaum bessern.

Es wird vermutet, dass bei einer von drei Personen, die die Diagnose Reizdarm mit Durchfall erhalten haben, ein Gallensäurenverlustsyndrom vorliegt. Grund genug also, sich den Ursachen und Symptomen der Erkrankung intensiver zu widmen.

Slattery SA, Aliment Pharmacol Ther 2015; 42: 3–11

Ursachen: Wie entsteht das Gallensäuren­verlustsyndrom?

Beim Gallensäurenverlustsyndrom handelt es sich um einen chronischen Durchfall, der durch überschüssige Gallensäuren im Dickdarm verursacht wird. Ein solcher Überschuss kann z.B. als Folge von Operationen am Dünndarm entstehen, nach einer Strahlentherapie oder auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn. Gallensäuren spielen bei der Verdauung von Nahrungsmitteln eine wesentliche Rolle bei der Aufnahme von Fetten und Vitaminen in den Körper. Sie werden aus der Leber in Form von Gallenflüssigkeit freigesetzt und kommen vor allem im Dünndarm (Ileum) zum Einsatz. Hier spalten die in der Flüssigkeit enthaltenen Gallensalze die Fette aus der Nahrung auf, um sie für den Körper nutzbar zu machen. Wenn die Gallensäuren das hintere Ende des Dünndarms erreichen, gelangen sie bei gesunden Menschen größtenteils über den enterohepatischen Darm-Leber-Kreislauf zurück in die Leber. Dort werden sie gespeichert, bis sie für die nächste Mahlzeit wieder benötigt werden. Etwa 5 Prozent der Gallenflüssigkeit werden während der Verdauung über den Darm abgebaut. Dabei entsteht das Abbauprodukt Bilirubin, das dem Kot seine braune Farbe verleiht. Die Leber ersetzt die verlorenen Gallensäuren durch Neusynthese aus Cholesterin. Bei den Betroffenen des Gallensäurenverlustsyndroms werden die Gallensäuren nicht ausreichend vom Dünndarm absorbiert und gelangen in den Dickdarm (Kolon). Das Gallensäurenverlustsyndrom wird deshalb auch als Gallensäurenmalabsorption bezeichnet. Die Gallensäuren im Kolon verursachen aufgrund ihrer osmotischen Wirkung mittels Wassereinstrom die sogenannte chologene Diarrhö (Durchfall bedingt durch Gallensäure). Zudem kommt es durch den Gallensäurenverlust zu einer gestörten Resorption von Fetten und demzufolge auch der fettlöslichen Vitamine. Diese Fettresorptionsstörung zeigt sich als Steatorrhö, dem Fettstuhl. Beides kann für die Betroffenen ein sehr schmerzhafter Zustand sein. Die gute Nachricht ist, dass das Gallensäurenverlustsyndrom diagnostiziert und gut behandelt werden kann.

Wedlake et. al. Aliment Pharmacol Ther 2009; 30 (7): 707-17
Keely et. al. Cel Mol Gastroenterol Hepatol 2016;2:725–732

Die häufigsten Symptome des Gallensäuren­verlustsyndroms

Die Symptome eines Gallensäurenverlustsyndroms können von Patient zu Patient variieren. Viele Erkrankte leiden über Jahre hinweg an verschiedenen Symptomen und haben eine lange Vorgeschichte vor allem mit chronischem Durchfall, der häufig als schweres Reizdarmsyndrom (RDS) diagnostiziert wird. An diesen Anzeichen erkennen Sie ein Gallensäurenverlustsyndrom:
  • • schmerzhafter, wässriger und explosiver chronischer Durchfall (chologene Diarrhö)
  • • übelriechender, schaumiger, gelblicher Durchfall
  • • Fettstuhl: eine krankhafte Erhöhung des Fettgehalts im Stuhl
  • • dringender Toilettendrang / unerwünschter Stuhlabgang (Stuhlinkontinenz)
  • • zahlreiche Stuhlgänge pro Tag und in der Nacht
  • • schmerzhafte Bauchkrämpfe, Bauchschmerzen
  • • Völlegefühl
  • • Blähungen

Bannaga et. al. BMJ Open Gastro 2016;3:e00116

Diagnose: So erkennt der Arzt die Erkrankung

Therapie: So wird das Gallensäuren­verlustsyndrom behandelt

Das Gallensäurenverlustsyndrom ist eine chronische Erkrankung, die eine medikamentöse Langzeitbehandlung sowie eine Ernährungstherapie erfordert.

Medikamentöse Behandlung

Zur Behandlung der Symptome werden in der Regel sogenannte Gallensäurenkomplexbildner (Bile Acid Sequestrants, BAS) verschrieben. Diese Medikamente wirken, indem sie die Gallensäuren im Dünndarm binden und sie daran hindern, den Dickdarm zu reizen. Im Einzelfall kann es bis zu mehreren Monaten dauern, bis die richtige Dosis an Medikamenten und Ernährungsanpassungen gefunden wird, die zur Kontrolle der Symptome beitragen.

Bannaga et. al. BMJ Open Gastro 2016;3:e00116
Keely et. al. Cel Mol Gastroenterol Hepatol 2016;2:725–732

Ernährungstherapie

Eine Ernährungsumstellung kann hilfreich sein, um die Symptome zu reduzieren. Besonders wenn die Betroffenen einen fettigen Stuhlgang haben, kann eine fettreduzierte Kost bzw. der Verzicht auf fettige Speisen dazu beitragen, die Beschwerden zu lindern. Sobald ein Gallensäurenverlustsyndrom diagnostiziert wurde, ist es deshalb ratsam, einen Ernährungsberater aufzusuchen. Zudem ist gegebenenfalls eine Nahrungsergänzung mit fettlöslichen Vitaminen sinnvoll.

Reizdarm oder Gallensäure­n-verlustsyndrom?

Die Symptome des Gallensäurenverlustsyndroms ähneln denen des weit verbreiteten Reizdarmsyndroms, unter dem Schätzungen zufolge ca. 4 Millionen Menschen in Deutschland leiden. Die Ähnlichkeit der Symptome beider Erkrankungen führt dazu, dass das Gallensäurenverlustsyndrom bei vielen Patienten unerkannt bleibt und sie die Diagnose „Reizdarm“erhalten. Zudem ist das Gallensäurenverlustsyndrom im Vergleich zum weit verbreiteten Reizdarm eine eher unbekannte Erkrankung. Das hat die Folge, dass viele Betroffene jahrelang mit einem nicht erkannten Gallensäurenverlustsyndrom leben und sich ihre Beschwerden kaum bessern.

Bannaga et. al. BMJ Open Gastro 2016;3:e00116

JB02316DE